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30. Oktober 2020
STELLUNGNAHME ZUM ZWEITEN LOCKDOWN IM NOVEMBER 2020Mit tiefer Traurigkeit und Bestürzung haben Vorstand und Mitglieder der Deutschen Musical Akademie – professionell in der Branche Musicaltheater tätige Künstler*innen und Produzent*innen – auf die neuerliche Theaterschließung im November 2020 reagiert.
Dass die Theater nun in Zeiten dramatisch steigender Infektionszahlen als Stätten der Begegnung in den Fokus der politisch Handelnden geraten, war abzusehen. Zwar hatten die Theater, so sie denn aus wirtschaftlichen Gründen überhaupt spielen konnten, vorbildliche Hygiene-Konzepte entwickelt und sogar zuletzt eine Maskenpflicht während der Vorstellung durchgesetzt. In der Gesamtschau dieser Maßnahmen sind wir überzeugt davon, dass der Theaterbesuch kein nennenswertes Risiko birgt, zum Infektionsherd zu werden. Es sind auch keinerlei Ausbrüche bekannt, die sich direkt auf einen Theaterbesuch zurückverfolgen lassen. Dennoch wurde nun die Grundsatzentscheidung getroffen, das öffentliche Leben jenseits von Schule, Kindergärten, Einzelhandel und Arbeitsplatz so weit wie möglich herunterzufahren. Dass die Zahl der Alltagskontakte angesichts der bedrohlichen Situation in der Pandemieentwicklung drastisch reduziert werden muss, ist unstreitig. Uns als Musiktheaterschaffenden und Angehörigen einer Branche, die wie kaum eine zweite von den Auswirkungen der Pandemie bis ins Mark getroffen wurde, wird damit ein erneutes Sonderopfer abverlangt. Wir sind – begrenzt auf den November 2020 – bereit, diesen Schritt mitzugehen. Wenn von einer unverschuldet in Not geratenen Branche ein Sonderopfer verlangt wird, ist es jedoch die vornehmste Pflicht des Staates, für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen. Die bislang von der Bundesregierung vorgestellten Konzepte lassen uns hoffen, dass dieser angemessene Ausgleich für den Zweiten Lockdown gelingen kann. Mit der Zahlung einer Ausgleichssumme in Höhe von 70-75 % der Umsätze aus dem Vorjahresnovember kann vor allem den Privattheatern geholfen werden. Mit großer Freude haben wir zudem zur Kenntnis genommen, dass unserer seit März 2020 vorgetragenen Forderung, für einen dringend notwendigen angemessenen Ausgleich für selbständige Kulturschaffende zu sorgen, nun endlich nachgekommen wird. Das in den Details noch unveröffentlichte Konzept des Bundeswirtschaftsministeriums sieht keine bloße Berechnung anhand von 75 % des Umsatzes aus dem Vorjahresnovember vor, sondern ermöglicht Solo-Selbständigen auch eine Berechnung aus dem Vorjahresschnitt. Nur so kann ein fairer Ausgleich gelingen, der auch diejenigen miteinbezieht, die aus verschiedensten Gründen im November 2019 wenig Einkünfte hatten. Wir begrüßen dies ausdrücklich. Wesentliches Ziel sollte es jedoch nun sein, dass diese Hilfen auch vergleichsweise einfach abgerufen werden können. Zur Darlegung der Betroffenheit legen wir nochmals die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse nahe. Wer hier Mitglied ist, sollte nur aus diesem Umstand eine Betroffenheit darlegen können. Nicht-Mitgliedern der Künstlersozialkasse sollte es zugestanden werden, andere unkomplizierte Nachweise (z. B. Rechnungen/Verträge aus dem Vorjahr) zu erbringen. Bei aller Zuversicht über die nun in Aussicht gestellten Unterstützungsleistungen muss jedoch klar sein, dass der Verzicht auf Live-Kultur kein Dauerzustand werden darf und nach Ablauf des Monats November wieder beendet werden muss. Bereits Bundespräsident Weizsäcker sagte vor fast 30 Jahren: „Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder nach Belieben streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere innere Überlebensfähigkeit sichert.“ Kultur ist auch kein reines Freizeitvergnügen, auf das man beliebig verzichten kann. Ebenso ist sie trotz 1,2 Millionen Beschäftigter und mehr als 100 Milliarden Euro Jahresumsatz auch kein reiner Wirtschaftsfaktor. Sie ist das Lebenselixier unserer Gesellschaft und verfolgt einen wichtigen Bildungsauftrag. Gerade das Musicaltheater kann Menschen an die Live-Kultur heranführen und anspruchsvolles Theater mit guter Unterhaltung verbinden. Kultur und Unterhaltung sind kein Gegensatz, sondern Kultur kann gerade dann besonders wirkungsvoll sein, wenn sie unterhält. Diesem Auftrag muss die Live-Kultur ab Dezember wieder nachkommen dürfen – und hierfür benötigen wir eine entsprechende Priorisierung der Kultur durch die Politik. Es ist an der Zeit. Marco Jung LL.M. (Columbia) Rechtsanwalt Im Namen des Vorstandes der Deutschen Musical Akademie |